5.6.2 Überlappende Notation in Ordnung bringen

Hier soll nun gezeigt werden, wie die Eigenschaften, die im vorigen Abschnitt vorgestellt wurden, bei der Problemlösung mit sich überschneidenden Notationselementen eingesetzt werden können.


Die padding-Eigenschaft (auffüllen)

Die padding-(Verschiebungs-)Eigenschaft kann benutzt werden, um den Abstand zwischen Symbolen zu vergrößern (oder zu verkleinern), die über oder unter den Noten gesetzt werden.

c'2\fermata
\override Script.padding = #3
b2\fermata

[image of music]

% This will not work, see below
\override MetronomeMark.padding = #3
\tempo 4 = 120
c'1 |
% This works
\override Score.MetronomeMark.padding = #3
\tempo 4 = 80
d'1 |

[image of music]

Im zweiten Beispiel können Sie sehen, wie wichtig es ist den richtigen Kontext anzugeben. Weil das MetronomeMark-Objekt sich im Score-Kontext befindet, werden Eigenschaftsänderungen im Voice-Kontext einfach ignoriert. Für mehr Einzelheiten siehe Eigenschaften verändern.

Wenn die padding-Eigenschaft eines Objektes erhöht wird, das sich in einem Stapel von Objekten befindet, die nach ihrer Außersystempriorität (outside-staff-priority) positioniert werden, werden das Objekt und alle, die sich außerhalb davon befinden, entsprechend verschoben.


Die right-padding-Eigenschaft (rechts auffüllen)

Die right-padding-Eigenschaft wirkt sich auf den Abstand zwischen einem Versetzungszeichen und der Note, auf das sie sich bezieht, aus. Sie wird nicht sehr oft benötigt, aber die Standardanordnung kann für einige spezielle Versetzungszeichen-Glyphen oder Kombinationsglyphen, wie sie für Mikrotonale Musik benutzt werden, falsch sein. Derartige Glyphen müssen notiert werden, indem man den Stencil des Versetzungszeichens mit einer Textbeschriftung (Markup) ersetzt, wie im folgenden Beispiel:

sesquisharp = \markup { \sesquisharp }
 \relative {
  c''4
  % This prints a sesquisharp but the spacing is too small
  \once \override Accidental.stencil = #ly:text-interface::print
  \once \override Accidental.text = #sesquisharp
  cis4 c
  % This improves the spacing
  \once \override Score.AccidentalPlacement.right-padding = #0.6
  \once \override Accidental.stencil = #ly:text-interface::print
  \once \override Accidental.text = #sesquisharp
  cis4
}

[image of music]

Dazu ist aber ein \override-Befehl für den Stencil des Versetzungszeichens nötig, der bisher nicht behandelt wurde. Der Typ des Stencils muss eine Prozedur sein, die hier geändert wurde, um den Inhalt der text-Eigenschaft des Accidental (Versetzungszeichen)-Objekts zu setzen. Die text-Eigenschaft wiederum wird als sesquisharp-Glyph definiert. Dieser Glyph wird dann weiter vom Notenkopf entfernt durch die Veränderung von right-padding mit einem \override-Befehl.


The staff-padding-Eigenschaft (Systemfüllungseigenschaft)

staff-padding kann verwendet werden um Objekte wie Dynamikzeichen an einer Grundlinie mit einem festen (Mindest-) Abstand zum System auszurichten, wenn keine anderen Notationsobjekte einen noch weiteren Abstand erfordern. Diese Verschiebung ist keine Eigenschaft von DynamicText, sondern von DynamicLineSpanner. Das liegt daran, dass die Grundlinie sich gleicherweise auf alle Dynamikzeichen beziehen soll, also auch auf die, die als Strecker erstellt wurden. Hier also die Lösung, die Dynamikzeichen aus dem Beispiel des vorigen Abschnitts auszurichten:

\override DynamicLineSpanner.staff-padding = #3
\relative { a'4\f b\mf a\p b\mp }

[image of music]


Die self-alignment-X-Eigenschaft (Selbstausrichtung-X-Eigenschaft)

Das nächste Beispiel zeigt, wie man die Position einer Fingersatzbezeichnung relativ zu einem Notenhals justieren kann, indem dessen rechte Kante an dem Referenzpunkt der zugehörigen Note ausgerichtet wird:

\voiceOne
<a''\2>
\once \override StringNumber.self-alignment-X = #RIGHT
<a''\2>

[image of music]


Die staff-position-Eigenschaft (Position innerhalb des Systems)

Mehrtaktpausen in einer Stimmen können mit Noten in anderen Stimmen kollidieren. Da diese Pausen zentriert zwischen den Taktstriche gesetzt werden, würde es für LilyPond eine recht große Anstrengung bedeuten herauszufinden, welche Noten mit ihnen zusammenstoßen könnten, denn alle Kollisionsvermeidung für Noten und Pausen funktioniert nur für Noten bzw. Pausen, die zur selben Zeit auftreten. Hier ein typisches Beispiel für eine Kollision dieser Art:

<< \relative { c'4 c c c } \\ { R1 } >>

[image of music]

Die beste Lösung ist es hier, die Ganztaktpause nach unten zu schieben, denn die Pause ist in der zweiten Stimme. Per Standardeinstellung für die zweite Stimme (\voiceTwo, also die zweite Stimme in der <<{…} \\ {…}>>-Konstruktion) wird die Position auf dem System (staff-position) auf -6 für MultiMeasureRest, in unserem Beispiel muss es also bspw. auf die Position -10 gesetzt werden, d.h. vier halbe Notenlinienabstände weiter nach unten:

<<
  \relative { c'4 c c c }
  \\
  \override MultiMeasureRest.staff-position = #-10
  { R1 }
>>

[image of music]

Das ist besser, als etwa extra-offset zu benutzen, denn in unserem Fall wird die Hilfslinie der Pause automatisch gesetzt.

Siehe Bindebögen von Hand setzen zum Unterschied zwischen exakten und inexakten Werten.


Die extra-offset-Eigenschaft (Genaues Positionieren)

Die extra-offset-Eigenschaft bietet vollständige Kontrolle über die Positionierung von Objekten in horizontaler und vertikaler Richtung.

Im Beispiel unten ist das zweite Fingersatzzeichen (Fingering) etwas nach links und 1,8 Notenlinienabstände nach unten verschoben:

f'4-5
\once \override Fingering.extra-offset = #'(-0.3 . -1.8)
f'4-5

[image of music]


Die positions-Eigenschaft (Ausrichtungseigenschaft)

Die positions-Eigenschaft ermöglicht es, die vertikale Position und damit implizit die Neigung von N-tolen, Legato- und Phrasierungsbögen sowie Balken manuell zu steuern.

Im folgenden Beispiel überlappen der Legato- und er Phrasierungsbogen:

\relative { a'8 \( ( a'16 ) a \) }

[image of music]

Ein Möglichkeit wäre es, die beiden Endpunkte des Phrasierungsbogen weiter nach oben zu verschieben. Wir probieren einmal das linke Ende 2.5 Staff-Einheiten über die Mittellinie und das rechte Ende 4.5 Einheiten darüber zu fixieren und überlassen es LilyPond, einen zu diesen Endpunkten passenden Phrasierungsbogen auszuwählen:

\once \override PhrasingSlur.positions = #'(2.5 . 4.5)
a'8 \( ( a''16 ) a'' \)

[image of music]

Auf jeden Fall eine Verbesserung, aber warum das rechte Ende des Legatobogens nicht ein wenig nach unten verschieben? Wenn Sie es versuchen werden sie feststellen, es ist auf diesem Wege nicht möglich, und das liegt daran, dass LilyPond von sich aus keinen Bogen erzeugt, der niedriger läge, als der, den es bereits auswählt. In solch einem Fall hat eine Änderung der positions-Eigenschaft keinerlei Auswirkung. Allerdings können Binde-, Legato- und Phrasierungsbögen bei Bedarf sehr exakt positioniert und auch geformt werden. Unter Bögen verändern können sie lernen, wie.

Hier noch ein weiteres Beispiel. Wie zu sehen ist, stößt der Balken mit den oberen Bögen zusammen:

{
  \time 4/2
  <<
    \relative { c'1~ 2. e8 f }
    \\
    \relative {
      e''8 e e e
      e e e e
      f2 g
    }
  >>
  <<
    \relative { c'1~ 2. e8 f }
    \\
    \relative {
      e''8 e e e
      e e e e
      f2 g
    }
  >>
}

[image of music]

Das kann manuell gelöst werden, indem beide Enden des Balkens von ihrer Position 1.81 Notenlinienabstände unter der Mittellinie hoch geschoben werden, etwa auf 1:

{
  \time 4/2
  <<
    \relative { c'1~ 2. e8 f }
    \\
    \relative {
      \override Beam.positions = #'(-1 . -1)
      e''8 e e e
      e e e e
      f2 g
    }
  >>
  <<
    \relative { c'1~ 2. e8 f }
    \\
    \relative {
      e''8 e e e
      e e e e
      f2 g
      \revert Beam.positions
    }
  >>
}

[image of music]

Hier ist zu beobachten, dass die Veränderung sich auch auf den die zweite Stimme des weiteren Taktes mit Achtelnoten auswirkt, während sie keine Auswirkung auf die Hälse der ersten Stimme hat. Sobald das override nicht mehr benötigt wird, sollte es wie zu sehen reverted werden.


Die force-hshift-Eigenschaft (horizontale Verschiebunseigenschaft)

An diesem Punkt können wir den letzten Feinschliff an unserem Chopin-Beispiel vornehmen, das wir behandelt haben in Ich höre Stimmen. Wir hatten es in folgende Form gebracht:

\new Staff \relative {
  \key aes \major
  <<
    { c''2 aes4. bes8 }
    \\
    { <ees, c>2 des }
    \\
    \\
    { aes'2 f4 fes }
  >> |
  <c ees aes c>1 |
}

[image of music]

Die inneren Noten des ersten Akkordes (also das As in der vierten Stimme) müssen nicht mit shift verschoben aus der Noten-Kolumne der höheren Stimme verschoben werden, daher verwenden wir \shiftOff.

Im zweiten Akkord wollen wir, dass das F sich am As orientiert und die tiefste Note leicht nach rechts verschoben wird, damit ein Zusammenstoß der Hälse vermieden wird. Das erreicht man mit force-hshift in NoteColumn des unteren Des, um es einen halben Notenlinienzwischenraum nach rechts zu verschieben und gleichzeitig force-hshift für das F auf Null. Ihnen ist sicher aufgefallen, dass wir \once verwenden damit die Veränderung nicht über den konkreten Fall hinaus wirkt, auch wenn im konkreten kleinen Beispiel \once und das zweite \override in der vierten Stimme weggelassen werden könnte. Das wäre aber schlechter Stil.

Hier das Endergebnis:

\new Staff \relative {
  \key aes \major
  <<
    { c''2 aes4. bes8 }
    \\
    { <ees, c>2 \once \override NoteColumn.force-hshift = 0.5 des }
    \\
    \\
    { \once \shiftOff aes'2 \once \shiftOff f4 fes }
  >> |
  <c ees aes c>1 |
}

[image of music]


LilyPond – Learning Manual v2.24.4 (stabiler Zweig).