4.1.2 Score ist ein (einziger) zusammengesetzter musikalischer Ausdruck
Im vorigen Kapitel, Einführung in die Dateistruktur von LilyPond,
wurde die allgemeine Struktur einer LilyPond-Quelldatei
beschrieben. Aber anscheinend haben wir die wichtigste
Frage ausgelassen, nämlich wie man herausfindet, was nach
dem \score
geschrieben werden soll.
In Wirklichkeit ist das aber gar kein Geheimnis. Diese Zeile ist die Antwort:
Ein
\score
Block enthält immer genau einen musikalischen Ausdruck.
Vielleicht wollen Sie noch einmal Musikalische Ausdrücke erklärt überfliegen. In diesem Kapitel wurde gezeigt, wie sich große musikalische Ausdrücke aus kleinen Teilen zusammensetzen. Noten können zu Akkorden verbunden werden usw. Jetzt gehen wir aber in die andere Richtung und betrachten, wie sich ein großer musikalischer Ausdruck zerlegen lässt. Zur Einfachheit soll nur ein Sänger und Klavier in unserem Beispiel eingesetzt werden. Wir brauchen keine Systemgruppe (StaffGroup), die einfach nur bewirkt, dass die Systeme mit einer Klammer zusammengefasst werden; sie wird also entfernt. Wir brauchen aber einen Sänger und ein Klavier.
\score { << \new Staff = "Sänger" << >> \new PianoStaff = "Klavier" << >> >> \layout { } }
Hier wurden die Systeme (Staff) benannt: „Sänger“ und „Klavier“. Das ist zwar nicht direkt notwendig, aber es ist gut, sich diese Schreibweise anzugewöhnen, damit man immer sofort erkennt, um welches System es sich handelt.
Zur Erinnerung: mit << … >>
(an Stelle von { … }
)
werden Noten gleichzeitig gesetzt.
Dadurch werden Vokalstimme und Klaviersystem übereinander
ausgegeben. Die << … >>
-Konstruktion ist für das
Sänger-System nicht notwendig, wenn hier nur die Noten einer
einzigen Stimme eingefügt werden sollen, aber << … >>
anstelle von geschwungenen Klammern sind notwendig,
sobald mehr als eine Stimme oder etwa eine Notenstimme und
Gesangstext eingefügt werden sollen. In unserem Fall soll eine
Stimme mit Gesangstext notiert werden, sodass die spitzen Klammern
benötigt werden. Die Noten sollen erst später hinzugefügt werden,
hier also erst mal nur ein paar Platzhalternoten und Text. Wenn
Sie sich nicht erinnern, wie man Gesangstext notiert, lesen
Sie noch einmal \addlyrics
in Einfache Lieder setzen.
\score { << \new Staff = "Sänger" << \new Voice = "Singstimme" { c'1 } \addlyrics { And } >> \new PianoStaff = "Klavier" << \new Staff = "oben" { c'1 } \new Staff = "unten" { c'1 } >> >> \layout { } }
Jetzt haben wir viel mehr Details. Wir haben ein System (engl. staff)
für einen Sänger, in dem sich wieder eine Stimme (engl. voice)
befindet. Voice
bedeutet für LilyPond eine Stimme (sowohl
gesungen als auch gespielt) und evtl. zusätzlich einen Text. Zusätzlich
werden zwei Notensysteme für das Klavier mit dem Befehl \new
PianoStaff
gesetzt. PianoStaff
bezeichnet die Piano-Umgebung (etwa
durchgehende Taktstriche und die geschweifte Klammer am Anfang), in der
dann wiederum zwei eigene Systeme ("oben" für die rechte Hand und
"unten"
für die linke) erstellt werden, auch wenn das untere System noch
einen Bassschlüssel erhalten muss.
Jetzt könnte man in diese Umgebung Noten einfügen. Innerhalb der
geschweiften Klammern neben \new Voice = "Singstimme"
könnte man
\relative { r4 d''8\noBeam g, c4 r }
schreiben. Aber wenn man seine Datei so direkt schreibt, wird
der \score
-Abschnitt sehr lang und es wird ziemlich schwer zu
verstehen, wie alles zusammenhängt. Darum bietet es sich an, Bezeichner
(oder Variablen) zu verwenden. Sie wurden zu Beginn des vorigen
Abschnitts erklärt, erinnern Sie sich? Damit wir sicher gehen
können, dass der Inhalt der text
-Variable als Gesangstext
interpretiert wird, wird ihm \lyricmode
voran gesetzt. Wie
\addlyrics
wird hiermit in den Eingabemodus für Gesangstext
gewechselt. Ohne diesen Befehl würde LilyPond versuchen, den Inhalt
der Variable als Noten zu interpretieren und dabei eine Menge
Fehler produzieren. (Einige andere Eingabemodi sind außerdem noch
verfügbar, siehe Eingabe-Modi.)
Also haben wir, wenn wir ein paar Noten und einen Bassschlüssel für die linke Hand hinzufügen, folgendes Beispiel:
melodie = \relative { r4 d''8\noBeam g, c4 r } text = \lyricmode { And God said, } oben = \relative { <g' d g,>2~ <g d g,> } unten = \relative { b,2 e } \score { << \new Staff = "Sänger" << \new Voice = "Singstimme" { \melodie } \addlyrics { \text } >> \new PianoStaff = "Klavier" << \new Staff = "oben" { \oben } \new Staff = "unten" { \clef "bass" \unten } >> >> \layout { } }
Beim Schreiben (oder Lesen) einer \score
-Umgebung
sollte man langsam und sorgfältig vorgehen. Am besten fängt
man mit dem größten Gebilde an und definiert dann die darin
enthaltenen kleineren der Reihe nach. Es hilft auch, sehr
genau mit den Einzügen zu sein, so dass jede Zeile, die
der gleichen Ebene angehört, wirklich horizontal an der
gleichen Stelle beginnt.
Siehe auch
Benutzerhandbuch: Struktur einer Partitur.