Standardtabulaturen

Musik für gezupfte Saiteninstrumente wird oft notiert, indem man eine Finger/Berührungsnotation bzw. Tabulatur benutzt. Im Gegensatz zur traditionellen Notation werden hier Tonhöhen nicht mit Notenköpfen notiert, sondern mit Zahlen (oder buchstabenartigen Symbolen in historischen Tabulaturen). Die Notenlinien einer Tabulatur zeigen die Saite an, auf der eine Note gespielt werden soll, und eine Zahl auf einer Notenlinie zeigt an, welcher Bund für eine Note gespielt werden muss. Die Zahlen werden vertikal übereinander geschrieben, wenn sie gleichzeitig gespielt werden sollen.

Standardmäßig ist Saite 1 die höchste Saite und entspricht der höchsten Notenlinie des TabStaff (der Tabulatur). Die voreingestellte Saitenstimmung der Tabulatur ist die normale Gitarrenstimmung (mit 6 Saiten). Die Noten werden als Tabulatur ausgegeben, wenn man den TabStaff-Kontext und darin den TabVoice-Kontext benutzt. Ein kalligraphischer Tabulaturschlüssel wird automatisch hinzugefügt.

\new TabStaff \relative {
  a,8 a' <c e> a
  d,8 a' <d f> a
}

[image of music]

Standard-Tabulaturen haben weder Symbole, die Notendauern anzeigen, noch andere musikalische Symbole wie etwa Ausdrucksbezeichnungen.

symbols = {
  \time 3/4
  c4-.^"Allegro" d( e)
  f4-.\f g a^\fermata
  \mark \default
  c8_.\<\( c16 c~ 2\!
  c'2.\prall\)
}

\score {
  <<
    \new Staff { \clef "G_8" \symbols }
    \new TabStaff { \symbols }
  >>
}

[image of music]

Wenn alle musikalischen Symbole, die in der traditionellen Notation eingesetzt werden, auch in der Tabulatur gedruckt werden sollen, muss man den Befehl \tabFullNotation in einem TabStaff-Kontext hinzufügen. Dabei ist zu beachten, dass halbe Noten in einer Tabulatur mit zwei Hälsen dargestellt werden, um sie von Viertelnoten zu unterscheiden.

symbols = {
  \time 3/4
  c4-.^"Allegro" d( e)
  f4-.\f g a^\fermata
  \mark \default
  c8_.\<\( c16 c~ 2\!
  c'2.\prall\)
}

\score {
  \new TabStaff {
    \tabFullNotation
    \symbols
  }
}

[image of music]

Normalerweise werden Tonhöhen der tiefstmöglichen Spielposition auf dem Bundbrett zugewiesen (erste Lage). Offene Saiten werden automatisch bevorzugt. Wenn man eine bestimmte Tonhöhe auf einer bestimmten Saite gespielt haben will, kann man eine Saitennummeranweisung zur Tonhöhe hinzufügen. Wenn man die Saitenzahlanweisung nicht in der traditionellen Notation sehen will, kann man den entsprechenden Stencil mit \override verändern. Es ist jedoch sehr viel bequemer, die Spielposition unter Benutzung von minimumFret zu definieren. Der Standardwert von minimumFret beträgt 0.

Auch wenn minimumFret gesetzt ist, werden offene Saiten immer benützt, wenn es möglich ist. Dieses Verhalten kann verändert werden, indem restrainOpenStrings auf #t gesetzt wird.

\layout { \omit Voice.StringNumber }
\new StaffGroup <<
   \new Staff \relative {
     \clef "treble_8"
     \time 2/4
     c16 d e f g4
     c,16\5 d\5 e\4 f\4 g4\4
     c,16 d e f g4
   }
   \new TabStaff \relative {
     c16 d e f g4
     c,16\5 d\5 e\4 f\4 g4\4
     \set TabStaff.minimumFret = #5
     \set TabStaff.restrainOpenStrings = ##t
     c,16 d e f g4
   }
>>

[image of music]

Akkord-Konstruktionen können mit dem Akkord-Wiederholungssymbol q wiederholt werden. In Verbindung mit Tabulaturen verhält sich diese Wiederholung jedoch seltsam, weil sie Saiten- und Fingerzahlen entfernt. Darum sollte man

\chordRepeats #'(string-number-event fingering-event)

explizit für musikalische Ausdrücke in Tabulaturen aufrufen, wenn Akkordwiederholungen gewünscht sind. Der Befehl ist so wichtig, dass er durch \tabChordRepeats zur Verfügung gestellt wird.

guitar = \relative {
  r8 <gis-2 cis-3 b-0>~ q4 q8~ 8 q4
}

\new StaffGroup <<
  \new Staff {
    \clef "treble_8"
    \guitar
  }
  \new TabStaff {
    \tabChordRepeats \guitar
  }
>>

[image of music]

Bindestriche über einen Zeilenumbruch werden standardmäßig in Klammern gesetzt. Das gilt auch für die zweite Klammer einer Wiederholung.

ties = \relative {
  \repeat volta 2 {
    e'2. f4~
    2 g2~
  }
  \alternative {
     { g4 f2. }
     { g4\repeatTie c,2. }
  }
  b1~
  \break
  b1
  \bar "|."
}

\score {
  <<
    \new StaffGroup  <<
      \context Staff {
        \clef "treble_8"
        \ties
      }
      \context TabStaff {
        \ties
      }
    >>
  >>
  \layout {
  indent = #0
  ragged-right = ##t
  }
}

[image of music]

Der Befehl \hideSplitTiedTabNotes hebt das Verhalten auf, dass Bundnummern in Klammern gesetzt werden:

ties = \relative {
  \repeat volta 2 {
    e'2. f4~
    2 g2~ }
  \alternative {
    { g4 f2. }
    { g4\repeatTie c,2. }
  }
  b1~
  \break
  b1
  \bar "|."
}

\score {
  <<
    \new StaffGroup  <<
      \context Staff {
        \clef "treble_8"
        \ties
      }
      \context TabStaff {
      \hideSplitTiedTabNotes
        \ties
      }
    >>
  >>
  \layout {
  indent = #0
  ragged-right = ##t
  }
}

[image of music]

Flageolett (engl. harmonic) kann zur Tabulaturnotation als klingende Tonhöhe hinzugefügt werden:

\layout { \omit Voice.StringNumber }
firstHarmonic = {
  d'4\4\harmonic
  g'4\3\harmonic
  b'2\2\harmonic
}
\score {
  <<
    \new Staff {
      \clef "treble_8"
      \firstHarmonic
    }
    \new TabStaff { \firstHarmonic }
  >>
}

[image of music]

Dabei ist zu beachten, dass der Befehl \harmonic immer an einzelne Noten angehängt werden muss (die sich auch innerhalb eines Akkordes befinden können). Flageolett ist nur sinnvoll für offene Saiten im 12. Bund. Alle anderen Flageolett-Töne sollten von LilyPond errechnet werden. Das wird erreicht, indem man den Bund angibt, wo der Finger der Greifhand die Saite berühren soll.

fretHarmonics = {
  \harmonicByFret #5 d16\4
  \harmonicByFret #4 d16\4
  \harmonicByFret #3 d8\4
  \harmonicByFret #5 <g\3 b\2>2.
}
\score {
  <<
    \new Staff {
      \clef "treble_8"
      \fretHarmonics
    }
    \new TabStaff { \fretHarmonics }
  >>
}

[image of music]

Alternativ können Flageolett-Töne auch errechnet werden, indem man das Verhältnis der Saitenlängen über und unter dem Flageolett-Finger definiert:

ratioHarmonics = {
  \harmonicByRatio #1/2 <g\3 b\2 e'\1>4
  \harmonicByRatio #1/3 <g\3 b\2 e'\1>4
  \harmonicByRatio #1/4 { g8\3 b8\2 e'4\1 }
}
\score {
  <<
    \new Staff {
      \clef "treble_8"
      \ratioHarmonics
    }
    \new TabStaff { \ratioHarmonics }
  >>
}

[image of music]

Ausgewählte Schnipsel

Hals- und Balkenverhalten in einer Tabulatur

Die Richtung von Hälsen wird in Tabulaturen genauso wie in normaler Notation eingestellt. Balken können horizontal eingestellt werden, wie das Beispiel zeigt.

\new TabStaff {
  \relative c {
    \tabFullNotation
    g16 b d g b d g b
    \stemDown
    \override Beam.concaveness = 10000
    g,,16 b d g b d g b
  }
}

[image of music]

Polyphonie in einer Tabulatur

Polyphonie kann in einer Tabulatur (TabStaff) genauso wie in einem normalen Notensystem erstellt werden.

upper = \relative c' {
  \time 12/8
  \key e \minor
  \voiceOne
  r4. r8 e, fis g16 b g e e' b c b a g fis e
}

lower = \relative c {
  \key e \minor
  \voiceTwo
  r16 e d c b a g4 fis8 e fis g a b c
}

\score {
  <<
    \new StaffGroup = "tab with traditional" <<
      \new Staff = "guitar traditional" <<
        \clef "treble_8"
        \new Voice = "upper" \upper
        \new Voice = "lower" \lower
      >>
      \new TabStaff = "guitar tab" <<
        \new TabVoice = "upper" \upper
        \new TabVoice = "lower" \lower
      >>
    >>
  >>
}

[image of music]

Referenz für Flageolett von offenen Saiten

Referenz für Flageolett von offenen Saiten:

openStringHarmonics = {
  \textSpannerDown
  \override TextSpanner.staff-padding = 3
  \override TextSpanner.dash-fraction = 0.3
  \override TextSpanner.dash-period = 1

  %first harmonic
  \override TextSpanner.bound-details.left.text =
    \markup\small "1st harm. "
  \harmonicByFret 12 e,2\6\startTextSpan
  \harmonicByRatio #1/2 e,\6\stopTextSpan

  %second harmonic
  \override TextSpanner.bound-details.left.text =
    \markup\small "2nd harm. "
  \harmonicByFret 7 e,\6\startTextSpan
  \harmonicByRatio #1/3 e,\6
  \harmonicByFret 19 e,\6
  \harmonicByRatio #2/3 e,\6\stopTextSpan
  %\harmonicByFret 19 < e,\6 a,\5 d\4 >
  %\harmonicByRatio #2/3 < e,\6 a,\5 d\4 >

  %third harmonic
  \override TextSpanner.bound-details.left.text =
    \markup\small "3rd harm. "
  \harmonicByFret 5 e,\6\startTextSpan
  \harmonicByRatio #1/4 e,\6
  \harmonicByFret 24 e,\6
  \harmonicByRatio #3/4 e,\6\stopTextSpan
  \break

  %fourth harmonic
  \override TextSpanner.bound-details.left.text =
    \markup\small "4th harm. "
  \harmonicByFret 4 e,\6\startTextSpan
  \harmonicByRatio #1/5 e,\6
  \harmonicByFret 9 e,\6
  \harmonicByRatio #2/5 e,\6
  \harmonicByFret 16 e,\6
  \harmonicByRatio #3/5 e,\6\stopTextSpan

  %fifth harmonic
  \override TextSpanner.bound-details.left.text =
    \markup\small "5th harm. "
  \harmonicByFret 3 e,\6\startTextSpan
  \harmonicByRatio #1/6 e,\6\stopTextSpan
  \break

  %sixth harmonic
  \override TextSpanner.bound-details.left.text =
    \markup\small "6th harm. "
  \harmonicByFret 2.7 e,\6\startTextSpan
  \harmonicByRatio #1/7 e,\6\stopTextSpan

  %seventh harmonic
  \override TextSpanner.bound-details.left.text =
    \markup\small "7th harm. "
  \harmonicByFret 2.3 e,\6\startTextSpan
  \harmonicByRatio #1/8 e,\6\stopTextSpan

  %eighth harmonic
  \override TextSpanner.bound-details.left.text =
    \markup\small "8th harm. "
  \harmonicByFret 2 e,\6\startTextSpan
  \harmonicByRatio #1/9 e,\6\stopTextSpan
}

\score {
  <<
    \new Staff
    \with { \omit StringNumber } {
      \new Voice {
        \clef "treble_8"
        \openStringHarmonics
      }
    }
    \new TabStaff {
      \new TabVoice {
        \openStringHarmonics
      }
    }
  >>
}

\paper { tagline = ##f }

[image of music]

Flageolett von Bundinstrumenten in einer Tabulatur

Flageolett für Bundinstrumente:

pinchedHarmonics = {
  \textSpannerDown
  \override TextSpanner.bound-details.left.text =
    \markup {\halign #-0.5 \teeny "PH" }
  \override TextSpanner.style = #'dashed-line
  \override TextSpanner.dash-period = 0.6
  \override TextSpanner.bound-details.right.attach-dir = 1
  \override TextSpanner.bound-details.right.text =
    \markup { \draw-line #'(0 . 1) }
  \override TextSpanner.bound-details.right.padding = -0.5
}

harmonics = {
  % artificial harmonics (AH)
  \textLengthOn
  <\parenthesize b b'\harmonic>4_\markup { \teeny "AH 16" }
  <\parenthesize g g'\harmonic>4_\markup { \teeny "AH 17" }
  <\parenthesize d' d''\harmonic>2_\markup { \teeny "AH 19" }

  % pinched harmonics (PH)
  \pinchedHarmonics
  <a'\harmonic>2\startTextSpan
  <d''\harmonic>4
  <e'\harmonic>4\stopTextSpan

  % tapped harmonics (TH)
  <\parenthesize g\4 g'\harmonic>4_\markup { \teeny "TH 17" }
  <\parenthesize a\4 a'\harmonic>4_\markup { \teeny "TH 19" }
  <\parenthesize c'\3 c''\harmonic>2_\markup { \teeny "TH 17" }

  % touch harmonics (TCH)
  a4( <e''\harmonic>2. )_\markup { \teeny "TCH" }
}

frettedStrings = {
  % artificial harmonics (AH)
  \harmonicByFret 4 g4\3
  \harmonicByFret 5 d4\4
  \harmonicByFret 7 g2\3

  % pinched harmonics (PH)
  \harmonicByFret 7 d2\4
  \harmonicByFret 5 d4\4
  \harmonicByFret 7 a4\5

  % tapped harmonics (TH)
  \harmonicByFret 5 d4\4
  \harmonicByFret 7 d4\4
  \harmonicByFret 5 g2\3

  % touch harmonics (TCH)
  a4 \harmonicByFret 9 g2.\3
}

\score {
  <<
    \new Staff
    \with { \omit StringNumber } {
      \new Voice {
        \clef "treble_8"
        \harmonics
      }
    }
    \new TabStaff {
      \new TabVoice {
        \frettedStrings
      }
    }
  >>
}

[image of music]

Gleiten (Glissando) in Tabulatur

Gleiten kann sowohl in normalem Notensystem als auch in Tabulaturen notiert werden:

slides = {
  c'8\3(\glissando d'8\3)
  c'8\3\glissando d'8\3
  \hideNotes
  \grace { g16\glissando }
  \unHideNotes
  c'4\3
  \afterGrace d'4\3\glissando {
  \stemDown \hideNotes
  g16 }
  \unHideNotes
}

\score {
  <<
    \new Staff { \clef "treble_8" \slides }
    \new TabStaff { \slides }
  >>
  \layout {
    \context {
      \Score
      \override Glissando.minimum-length = 4
      \override Glissando.springs-and-rods =
                          #ly:spanner::set-spacing-rods
      \override Glissando.thickness = 2
      \omit StringNumber
      % or:
      %\override StringNumber.stencil = ##f
    }
  }
}

[image of music]

Akkordglissando in Tabulaturen

Gleiten von Akkorden kann sowohl im normalen Notensystem als auch in einer Tabulatur notiert werden. Saitennummern werden für Tabulaturen benötigt, weil die automatische Saitenberechnung unterschiedlich für Akkorde und einzelne Noten funktioniert.

myMusic = \relative c' {
  <c e g>1 \glissando <f a c>
  <cis, eis gis>1 \glissando <f a c>
  <cis eis gis>1 \glissando <f a c\3>
}

\score {
  <<
    \new Staff {
      \clef "treble_8"
      \omit StringNumber
      \myMusic
    }
    \new TabStaff \myMusic
  >>
}

\score {
  <<
    \new Staff {
      \clef "treble_8"
      \omit StringNumber
      \myMusic
    }
    \new TabStaff \with { \override Glissando.style = #'none } {
      \myMusic
    }
  >>
}

\paper { tagline = ##f }

[image of music]

Siehe auch

Notationsreferenz: Hälse, Akkord-Wiederholungen, Ausgeschriebene Wiederholungen, Flageolett, Glissando.

Schnipsel: Fretted strings.

Referenz der Interna: TabNoteHead, TabStaff, TabVoice, Beam.

Bekannte Probleme und Warnungen

Akkorde werden nicht gesondert behandelt, sodass die Saitenauswahlfunktion eventuell die selbe Saite für zwei Töne eines Akkordes auswählen kann.

Damit die Kombination von Stimmen (\partCombine) richtig funktioniert, müssen speziell erstellte Stimmen innerhalb des Tabulatursystems (TabStaff) benutzt werden:

melodia = \partCombine { e4 g g g } { e4 e e e }
<<
  \new TabStaff <<
    \new TabVoice = "one" s1
    \new TabVoice = "two" s1
    \new TabVoice = "shared" s1
    \new TabVoice = "solo" s1
    { \melodia }
  >>
>>

[image of music]

Spezialeffekte für Gitarre beschränken sich auf Flageolett und Slide.


LilyPond Benutzerhandbuch v2.25.21 (Entwicklungszweig).